Freitag, 21. Juli 2006
Unter Brüdern
Seit dem Überführungstörn im April sind nun drei Monate vergangen. In dieser Zeit hatten wir unsere Ulzicke auf zahlreichen Fahrten in der Schlei dazu genutzt, unsere Kinder mit dem Boot und dem Segeln vertraut zu machen. Jetzt wurde es Zeit, Ulzicke mal wieder die „richtige“ Ostsee zu zeigen. Da traf es sich gut, daß meine beiden ebenfalls segelbegeisterten Brüder, die das Pech haben, ca. 500 km von der Küste entfernt zu wohnen, schon auf eine Gelegenheit lauerten, Ulzicke zu testen. Irgendwie schafften wir es dann alle drei, uns recht kurzfristig ab dem 08. Juli eine Woche von Beruf und Familie frei zu nehmen.


K.-D. sorgt für einen Hauch Formel 1 an Bord

Das Einschiffen am Samstag klappt dann trotz Unmengen an Gepäck und Lebensmitteln (hauptsächlich Bier) reibungslos. Mein älterer Bruder bezieht eine der beiden Kojen im Vorschiff, während mein kleiner Bruder und ich die Kojen im Salon belegen. Die zweite Koje im Vorschiff und die Hundekoje bleiben also frei, so daß wir geradezu verschwenderisch mit dem Platz umgehen können. Für einen weiteren Mitsegler wäre auf jeden Fall noch Platz.


Jollensegler Thomas

Am Sonntag geht es dann los. Bei gutem Wetter und Wind um 2 Bft. verlassen wir um 10.00 Uhr den Hafen von Hadeby. Etwa eine halbe Stunde später taucht im Westen eine dunkle Wolkenwand auf. Wir ignorieren sie ersteinmal - wird schon nicht so schlimm werden. Denkste! Kurz vor Missunde bricht ein mittleres Unwetter mit Böen um 7 Bft. und Starkregen über uns herein. Die Sicht geht fast auf „Null“ zurück. Um die Enge bei Missunde nicht im Blindflug zu passieren, drehen wir kurzerhand um. Nach ca. 15 Minuten ist der Spuk vorbei und wir segeln auf dem alten Kurs weiter.


Skipper ist unter der Last der Verantwortung zusammengebrochen

Nachdem wir die beiden Klappbrücken bei Lindaunis und Kappeln passiert haben, laufen wir gegen 17.00 Uhr in Schleimünde ein. In der berühmt-berüchtigten Giftbude verfolgen wir mit ca. 50 anderen Seglern das WM-Endspiel auf einem 36cm-Fernseher. Public viewing einmal anders!

Im Laufe der Nacht fällt der Wasserstand der Schlei um ca. 50 cm. Am nächsten Morgen sitzen daher einige Yachten auf ihren Liegeplätzen fest und müssen mühsam freigeschleppt werden. Wir brechen gegen 11.45 Uhr bei 4 Bft. aus SW Richtung Fehmarn auf. Nachmittags dreht der Wind auf NW und nimmt deutlich ab. Wir segeln also Schmetterling, was dem Rudergänger erhebliche Konzentration abverlangt.


Steuermann, halt die Wacht!

Wir trauen uns noch nicht, den Spinaker zu setzen, da wir unsere Segelerfahrung überwiegend auf einer Einmann-Jolle und Charter-Yachten erworben haben und daher ein solches Segel nur vom Namen her kennen. Da uns das Gegeige vor dem Wind allmählich auf den Geist geht, kreuzen wir sogar kurzzeitig vor dem Wind.


Fehmarnsundbrücke

Nach knapp 50 sm erreichen wir gegen 21.30 Uhr den Hafen vor Orth/Fehmarn. Wir erwischen den letzten freien Liegeplatz und zwar den ganz im Süden. Der Entfernung von dort bis zu den Waschräumen / Toiletten beträgt ca. 250 m. Da überlegt man sich dann schon, ob man noch ein Bier trinkt.

Am nächsten Tag, also Dienstag, bleiben wir im Hafen. Wir mieten uns Fahrräder und kurven ein bißchen über die Insel, machen dabei einen Abstecher an den Strand und gehen sogar im - für Ostseeverhältnisse - warmen Wasser baden. Anschließend machen wir uns eingehend mit dem Spinakergeschirr vertraut und stellen schnell fest, daß es gar nicht so kompliziert ist, wie man gemeinhin glaubt.

Am Mittwoch laufen wir dann um 09.15 mit dem Ziel Kühlungsborn aus. Bei westlichem Wind nehmen wir dann unseren ganzen Mut zusammen und schlagen den Spi an. Und siehe da: Ruck-zuck ist er gesetzt, steht und zieht. Fairerweise müssen wir jedoch eingestehen, daß uns zwei Umstände erheblich zur Hand gegangen sind: zum einen war es nur schwachwindig, zum anderen ist die Größe des Spi doch recht überschaubar. Ein bißchen stolz waren wir aber schon.


Geht doch!

Den ganzen Nachmittag über beobachten wir ein Boot der Küstenwache, daß, wie wir meinen, mehr oder weniger planlos auf und ab fährt. Gegen 19.30 Uhr beginnen wir mit der Ansteuerung des Yachthafens von Kühlungsborn. Das Küstenwachboot läßt daraufhin ein Schlauchboot zu Wasser, welches, besetzt mit drei Mann, auf uns zuläuft und längsseits kommt. Während wir glauben, daß jetzt eine Führerscheinkontrolle erfolgt, werden wir statt dessen darüber informiert, daß wir uns in einem Sperrgebiet befänden und der Hafen von Kühlungsborn zwischen 16.00 Uhr und 09.00 Uhr nicht angelaufen werden dürfe. Als Reaktion auf unsere erstaunten Gesichter folgt dann die Frage, ob wir denn die Bekanntmachungen für Seefahrer (BfS) nicht gelesen hätten. Hatten wir natürlich nicht. Daraufhin drückt man uns eine Fotokopie der entsprechenden Seite aus den BfS in die Hand. Wir wagen es dann sogar, nach dem Grund der Sperrung zu fragen. Die Antwort, die wir erhalten, verschlägt uns fast die Sprache. Unsere Bundeskanzlerin möchte Mr. Bush ihre Heimat zeigen. Tja, und was liegt da näher, als mal eben Häfen und ganze Seegebiete zu sperren. Bleibt nur zu hoffen, daß Bush und Merkel nicht dicke Freunde werden und zukünftig immer gemeinsam die Sommerferien an der Ostsee verbringen.

Die wirklich netten Herren der Küstenwache schlagen dann vor, entweder nach Timmendorf auf Poel zu laufen, irgendwo außerhalb des Sperrgebiets zu ankern oder die Nacht durchzusegeln. Wir entscheiden uns für Letzteres, was wir auch nicht bereuen. Mit Kurs NW laufen wir in der beginnenden Dämmerung auf die Ostküste von Fehmarn zu. Gegen 21.40 Uhr versinkt die Sonne richtig kitschig im Meer. Obwohl die Sommersonnenwende schon vor rd. drei Wochen war, bleibt die ganze Nacht ein schmaler hellblauer Streifen am Horizont sichtbar.


Sonnenuntergang

Gegen 23.00 Uhr geht der Vollmond auf und taucht das Meer und uns in ein fahles Licht - und das ganze bei angenehmen Temperaturen. Romantischer kann Seefahrt wohl kaum sein. Prickelnd wird es, als wir gegen 03.00 Uhr Puttgarden querab haben. In dichter Folge laufen Fähren ein und aus. Da wünscht man sich eine Fußgängerampel. Um 04.45 Uhr ist die Nacht vorbei und die Sonne geht auf.


Sonnenaufgang

Wir nehmen Kurs auf die Kieler Förde. Um 13.45 Uhr machen wir nach 104 sm im „alten“ Yachthafen von Laboe fest und springen am nahen Badestrand erst mal in die Fluten.


Fest in Laboe

Am Freitag laufen wir um 11.00 Uhr aus. Da die Woche schon zu Ende geht, wollen wir wieder in die Schlei. Wie im Wetterbericht angekündigt, weht der Wind aus NW mit 4-5 Bft.. Wir müssen also kreuzen. Obwohl die Wellen eine Höhe von etwa 1,5 m erreichen und sich teilweise brechen, läuft Ulzicke „trocken“ mit durchschnittlich 5 kn hoch am Wind.


Bilderbuchwetter

Um 19.00 Uhr passieren wir den Leuchtturm von Schleimünde und erreichen die Klappbrücke von Kappeln gegen 20.00 Uhr, so daß wir sie noch mit der letzten Öffnung um 20.45 Uhr passieren können. Wenige Minuten später machen wir dann nach knapp 40 sm im Baltic-Yachting-Hafen fest.


Hochbetrieb auf der Schlei

Am Samstag laufen wir dann unter Segeln die letzten 20 sm bis Haddeby, wo wir um 16.30 Uhr festmachen.

Schon aufgrund des tollen Wetters war der Törn ein Erlebnis. Er hat darüber hinaus gezeigt, daß eine Crew von mind. drei Erwachsenen sicher und auch ziemlich komfortabel mit einer Marieholm 261 reisen kann.

Anmerkung: Ich danke meinem Ghostwriter Thomas für die Erstellung diese Törnbereichts!

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